Ostsee-Zeitung | Donnerstag, 30. Oktober 2008 | Titelseite | 346 Wörter
Koalition infiziert
Ein Bakterium infiziert die Schweriner Koalition. An dem kleinen, aber hochgefährlichen Krankheitserreger Vibrio vulnificus entzündet sich ein heftiger Streit, seitdem ein überaus brisantes Schreiben aus dem Sozialministerium auftauchte. Darin heißt es mit überraschender Klarheit, dass das geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin nicht genehmigungsfähig ist. Dies kann als Signal dafür gelten, dass sich in Schwerin ein Wandel vollzieht. Es sammeln sich offenbar auch in der Machtzentrale des Landes Kräfte, die auf Abstand zu dem klima- und gesundheitsschädlichen Stromerzeuger gehen. Möglicherweise ist dies der Einstieg in den Ausstieg aus dem Großprojekt. Viel deutlicher als in allen anderen bisherigen Stellungnahmen aus Regierungskreisen wird ausgesprochen, dass die Einleitung des Kühlwassers den Bodden nachhaltig schädigen könnte. So stark, dass Lubmin durch die Verschlechterung der Qualität des Badewassers seinen Status als Seebad verliert. Das Gutachten, das dieser Schlussfolgerung zugrunde liegt, ist jedoch nicht neu. Es lag schon vor, als Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) noch Sozialminister war. Das legt die Vermutung nahe, dass er vor seiner Amtseinführung als Ministerpräsident eine Stellungnahme vermeiden wollte. Vermutlich hätte ihn das bei seiner Wahl zum Regierungschef Stimmen der Koalition gekostet.
Die CDU und allen voran Wirtschaftsminister Jürgen Seidel wollen die 2,3-Milliarden-Investition unbedingt ins Land holen. Auch SPD-Umweltminister Till Backhaus bewertet das Gutachten anders als das Sozialministerium.
Doch Sellering wohnt in Greifswald und kennt die immer stärker werdende Ablehnung in der Region gegen das Kohlekraftwerk. Als Parteichef hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass die Landes-SPD Dong Energy aufforderte, die Kraftwerkskapazität zu halbieren – eine rein politische Willensbekundung. Der dänische Konzern ließ die Genossen jedoch abblitzen. So gern das Land die mit dem Großprojekt verbundenen Jobs haben möchte, inzwischen wird der Widerstand gegen das Kraftwerk zum Politikum. Welcher Abgeordnete will sich bei der nächsten Wahl sagen lassen, er hätte den erklärten Willen zehntausender Menschen ignoriert? Jetzt ist das Papier an die Öffentlichkeit gelangt, ohne dass Sellering selbst agieren musste. Um eine klare Position wird er aber auch als Ministerpräsident nicht herumkommen.
Koalition infiziert
Ein Bakterium infiziert die Schweriner Koalition. An dem kleinen, aber hochgefährlichen Krankheitserreger Vibrio vulnificus entzündet sich ein heftiger Streit, seitdem ein überaus brisantes Schreiben aus dem Sozialministerium auftauchte. Darin heißt es mit überraschender Klarheit, dass das geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin nicht genehmigungsfähig ist. Dies kann als Signal dafür gelten, dass sich in Schwerin ein Wandel vollzieht. Es sammeln sich offenbar auch in der Machtzentrale des Landes Kräfte, die auf Abstand zu dem klima- und gesundheitsschädlichen Stromerzeuger gehen. Möglicherweise ist dies der Einstieg in den Ausstieg aus dem Großprojekt. Viel deutlicher als in allen anderen bisherigen Stellungnahmen aus Regierungskreisen wird ausgesprochen, dass die Einleitung des Kühlwassers den Bodden nachhaltig schädigen könnte. So stark, dass Lubmin durch die Verschlechterung der Qualität des Badewassers seinen Status als Seebad verliert. Das Gutachten, das dieser Schlussfolgerung zugrunde liegt, ist jedoch nicht neu. Es lag schon vor, als Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) noch Sozialminister war. Das legt die Vermutung nahe, dass er vor seiner Amtseinführung als Ministerpräsident eine Stellungnahme vermeiden wollte. Vermutlich hätte ihn das bei seiner Wahl zum Regierungschef Stimmen der Koalition gekostet.
Die CDU und allen voran Wirtschaftsminister Jürgen Seidel wollen die 2,3-Milliarden-Investition unbedingt ins Land holen. Auch SPD-Umweltminister Till Backhaus bewertet das Gutachten anders als das Sozialministerium.
Doch Sellering wohnt in Greifswald und kennt die immer stärker werdende Ablehnung in der Region gegen das Kohlekraftwerk. Als Parteichef hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass die Landes-SPD Dong Energy aufforderte, die Kraftwerkskapazität zu halbieren – eine rein politische Willensbekundung. Der dänische Konzern ließ die Genossen jedoch abblitzen. So gern das Land die mit dem Großprojekt verbundenen Jobs haben möchte, inzwischen wird der Widerstand gegen das Kraftwerk zum Politikum. Welcher Abgeordnete will sich bei der nächsten Wahl sagen lassen, er hätte den erklärten Willen zehntausender Menschen ignoriert? Jetzt ist das Papier an die Öffentlichkeit gelangt, ohne dass Sellering selbst agieren musste. Um eine klare Position wird er aber auch als Ministerpräsident nicht herumkommen.
ELKE EHLERS