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OZ-Interview mit Bärbel Höhn
Wochenendausgabe, 01. März 2008 | Mecklenburg-Vorpommern | 708 Wörter

Die Grüne Bärbel Höhn protestierte in Stralsund mit Bürgerinitiativen gegen die Baupläne von Dong Energy. Im OZ-Interview kritisierte sie die Energiepolitik von Land und Bund.

Schwerin/Stralsund (OZ) Bärbel Höhn, Ex-Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen und Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, sprach mit der OZ über das Steinkohlekraftwerk Lubmin, die Chance erneuerbarer Energieträger und die politischen Risiken für Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD).

OZ: Frau Höhn, der Projektleiter von Dong Energy, Peter Gedbjerg, sagt, nicht jeder könne Bio-Karotten verkaufen. Es müsse auch Leute geben, die Steinkohlekraftwerke bauen. Warum, glauben Sie, kann man komplett auf neue Kohlemeiler verzichten?

Bärbel Höhn: Die geplanten Kohlekraftwerke besitzen eine viel zu geringe Effizienz. Wir brauchen kleine, dezentrale Anlagen. Wir brauchen Blockheizkraftwerke, die einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent haben. In Lubmin reden wir über einen Wirkungsgrad von 46 Prozent. Mit den großen Kohlekraftwerken werden wir unsere CO2-Ziele deshalb nie erreichen.

OZ: Was verstehen Sie unter kleinen, dezentralen Blockheizkraftwerken?

Höhn: Wir setzen natürlich auf erneuerbare Energien. Wir können es schaffen, bis 2020 bundesweit über 40 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energieträgern zu gewinnen. Zum anderen setzen wir auf Kraftwerke, die zugleich Strom und Wärme produzieren. Die kann man mit Erdgas, aber auch mit Biogas betreiben. Große Braun- und Steinkohlekraftwerke brauchen wir nicht, Gaskraftwerke stoßen im Vergleich dazu bis zu zwei Drittel weniger CO2 aus.

OZ: Die Stromkonzerne sagen, wir werden noch bis zu 40 Jahre einen Energie-Mix brauchen, zu dem auch Kohle zählt . . .

Höhn: Man kann mit diesen Kohlekraftwerken Geld verdienen. Richtig viel Geld. Das sind Gelddruckmaschinen. In den letzten fünf Jahren konnten die Stromkonzerne ihre Gewinne von sechs auf 18 Milliarden Euro im Jahr verdreifachen. Mit den geplanten 24 neuen Kohlekraftwerken behalten die Strom-Riesen in Deutschland ihre Marktmacht. Wir müssen durch dezentrale Stromproduktion mehr Wettbewerb und damit fairere Preise erreichen.

OZ: Die Landesregierung von MV steht ohne Wenn und Aber hinter dem Kohlekraftwerk Lubmin. Eine Begründung: Mit Dong Energy komme ein weiterer Wettbewerber nach Deutschland . . .

Höhn: Wunderbar. Aber bitte ohne Kohle. In Dänemark baut Dong Blockheizkraftwerke. Damit wäre Dong auch in Lubmin herzlich willkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kann nicht in Heiligendamm sagen, sie wolle den CO2-Ausstoß um 40 Prozent reduzieren, und gleichzeitig neue Kohlekraftwerke protegieren. Merkel hat zu Recht gesagt, dass man jedem Menschen auf der Welt den gleichen CO2-Ausstoß zubilligen muss. Das wären zwei Tonnen pro Kopf und Jahr, für Deutschland insgesamt 160 Millionen Tonnen. Wie will Merkel dieses Ziel erreichen, wenn allein in Lubmin mindestens zehn Millionen Tonnen ausgestoßen werden? Kanzlerin Merkel steht nicht für Heiligendamm, sie steht für Scheinheiligendamm.

OZ: Warum aber unterstützt Ministerpräsident Harald Ringstorff das Kohlekraftwerk Lubmin?

Höhn: Die großen Strom-Konzerne machen eine hervorragende Lobby-Arbeit. Kritische Stimmen dringen zu den politischen Entscheidungsträgern oft gar nicht mehr durch. Wer viel investieren will, findet schnell ein offenes Ohr bei Politikern. Deshalb gibt es ja so viele Fehlinvestitionen in diesem Land. Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht die nächste Runde an Fehlinvestitionen bei Kohlekraftwerken machen.

OZ: Das Land argumentiert auch damit, Lubmin werde 150 neue Arbeitsplätze schaffen.

Höhn: Mecklenburg-Vorpommern könnte viel mehr neue Jobs mit erneuerbaren Energien schaffen, mit Windkraft zum Beispiel. Im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten inzwischen 250 000 Menschen. Im Bereich der Atomkraftwerke sind es 40 000. Die Lubminer haben sich für Tourismus entschieden – gegen Kohlekraft. Tourismus plus erneuerbare Energien würden MV bei weitem mehr Jobs bringen als ein Kohlekraftwerk.

OZ: Ringstorff sagt, wir befinden uns in einem Genehmigungsverfahren . . .

Höhn: Das ist ein Ablenkungsmanöver. Ringstorff hat sich für das Kraftwerk entschieden, dann muss er auch die Verantwortung dafür übernehmen. Er kann nicht seine Hände in Unschuld waschen. Wenn die Landesregierung nicht wollte, würde der Investor auch nicht bauen. Im Saarland wollte die Bevölkerung nicht, und das Projekt ist gekippt.

OZ: Die Landes-SPD stellt sich gegen Lubmin. Könnte das Steinkohlekraftwerk für Ringstorff zum Problem werden?

Höhn: Man kann Ringstorff nur raten, dass er lernt und seine Meinung ändert. Er erweist seiner Partei einen Bärendienst, wenn er den tiefen Spalt in seiner Partei nicht kittet. Er muss sich dringend auf die Seite der Kraftwerks- gegner schlagen, sonst droht seiner Partei Ungemach.

Interview: JÖRG KÖPKE


Die Grünen- Politikerin Bärbel Höhn reihte sich gestern in den Stralsunder Protestzug gegen das geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin ein.

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