Gülle wärmt die gute Stube - Bioenergiedorf heizt mit Mais und Mist
MVregio Aktuell - 23.03.2009: Neuhof/MVregio "Nehmt ihr auch Laub und Rasenschnitt?", fragt Josef Jungnickel beim Heizwerk nach, ob er Gartenabfälle direkt zum Meiler bringen kann.
Der ältere Herr aus Neuhof bei Zarrentin (Kreis Ludwigslust) weiß, dass er die Gabe später zurückbekommt. Seit Jahresbeginn bezieht er Heißwasser zum Duschen und Heizen über die Nahwärmeleitung der neuen Biogasanlage. Aus Mais-, Getreide-, Grassilage, Gülle und Kuhmist wird dort Biogas nicht nur für die Stromproduktion erzeugt, sondern mit der Abwärme wird noch das Dorf beheizt - ein Novum für Deutschlands Biosphärenreservate, sagt Bernhard Leclaire, Chef der Bioenergie Neuhof GmbH.

Viele herkömmliche Biogasanlagen speisen oft nur den im Blockheizkraftwerk erzeugten Strom ins Netz ein, lassen aber die dabei entstehende Wärme - rund 40 Prozent der Energieausbeute - ungenutzt verpuffen und heizen so nur die Umwelt auf, bestätigt Olaf Schätzchen, Projektkoordinator der Bioenergie-Region Mecklenburgische Seenplatte. Die Region gehört zu den 25 Gewinnern eines bundesweiten Wettbewerbs um den Aufbau von Netzwerken im Bereich der Bioenergie. Ab Mai kann sie mit bis zu 400 000 Euro Fördermitteln rechnen. Bereits jetzt heizen in Demmin, Ivenack und Rechlin Biogasanlagen auch Wohnungen und Industrieanlagen, berichtet der Koordinator.
"Deutschlandweit setzt ein Umdenken ein", meint Schätzchen. Biogassysteme sollen modernisiert und, hier liegt der Knackpunkt, Abnehmer für die Wärme sollen gefunden werden. Nur so könnte der Wirkungsgrad der Anlagen auf 80 bis 90 Prozent steigen. Beispiel sei Deutschlands erstes "Bioenergiedorf" Jühnde (Niedersachsen), das seit 2005 Wärme und Strom aus erneuerbaren Energien bezieht. Neuhof im Schutzgebiet Schaalsee an der früheren innerdeutschen Grenze setzt ebenfalls von Anfang an auf höchstmögliche Ausbeute, so Leclaire. So wurden bis Ende letzten Jahres gut drei Kilometer Wärmeleitungen im Dorf verlegt, an die jetzt 44 der 85 Neuhofer Haushalte mit 350 Einwohnern angeschlossen sind.
Seit Mitte Januar speist das angeschlossene Blockheizkraftwerk Strom ins Netz ein. Die fast fünf Millionen Euro teure, seit Herbst 2008 laufende 700-Kilowatt-Biogasanlage kann so die Jahres- Stromversorgung für umgerechnet 1200 Vier-Personen-Haushalte sichern, rechnet Leclaire vor. Der Clou des Systems liege in den Details: Ein spezieller Katalysator senke erheblich den Ausstoß von Schadstoffen, die beim Verbrennen von Biogas entstehen. Zudem gebe es eine Aktivkohleentschwefelung und die Möglichkeit, notfalls auch mit Öl zu heizen, um den Neuhofern eine ununterbrochene Wärmezufuhr zu garantieren. Die Biogasanlage indes wird mit Mais-, Getreide- und Grassilage sowie Gülle und Mist des Milchviehbetriebes Kienzle gefüttert, erklärt Landwirt Florian Kienzle.
Das Hauptmaterial Mais, oft wegen langer Transporte ökologisch problematisch, komme aus einem Umkreis von nur drei Kilometern zum Meiler, also quasi direkt vom Feld in die Gärbehälter der Anlage. Der Maisanteil soll künftig auf 60 Prozent reduziert werden und dafür mehr Gülle und Gras eingesetzt werden. Ein guter Plan, bestätigt ein Sprecher des Fachverbandes Biogas in Freising bei München. Mit dem neuen "Gülle-Bonus" im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) von vier Cent je Kilowattstunde Strom "kann man richtig Geld verdienen", sagt er. Insofern rechne der Verband mit einem deutlichen Zuwachs von Biogasanlagen 2009. Ende 2008 produzierten bundesweit knapp 4000 Anlagen rund elf Millionen Kilowattstunden Strom für mehr als drei Millionen Haushalte.
Milchbauer Kienzle, Betreiber der Biogasanlage Neuhof, ist angesichts von Milchkrise und Preisverfall schon jetzt "mehr als zufrieden" mit dem zusätzlichen Energiegeschäft. Das Dorf im Biosphärenreservat verbessere sein Image, und die Bewohner bekämen Heißwasser zu bezahlbaren Festpreisen. Für Josef Jungnickel war der Anschluss an die Bio-Zentralheizung günstiger als ein neuer Erdgaskessel, wie er sagt. Und sein Badewasser komme jetzt gleichmäßig heiß aus dem Hahn ohne jede Vorwärmzeit.
MVregio Landesdienst mv/lwl
http://www.mvregio.de/show/198102.html