Kein Geld mehr mit der Kohle
Die Kraftwerke rentieren sich immer weniger

Klaus Stratmann (HB)
Berlin - Die Energiekonzerne ziehen sich in Deutschland zusehends aus der Kohlestromerzeugung
zurück. Anfang dieser Woche erklärte das französische Unternehmen GDF Suez, man werde das in
Stade geplante Kohlekraftwerk nicht bauen. Vattenfall, Eon, EnBW, der dänische Konzern Dong
Energy und auch regionale Unternehmen machten in den vergangenen Monaten Rückzieher bei der
Umsetzung von Kraftwerksprojekten. Damit sind in den vergangenen zwölf Monaten sieben
Großprojekte abgesagt worden.

Auslöser für den Rückzug der Energiekonzerne aus vielen Kohlekraftwerksprojekten sind einerseits
Proteste von Bürgern vor Ort. Immer häufiger geben aber auch wirtschaftliche
Erwägungen den Ausschlag. Angesichts des rasant wachsenden Anteils erneuerbarer Energien, deren
Aufkommen stark schwankt, wird es immer schwieriger, ein Kohlekraftwerk über lange Zeiträume im
Volllastbetrieb zu fahren. Das macht den Betrieb von Kohlekraftwerken weniger wirtschaftlich. Hinzu
kommt der stetige Anstieg der Kohlepreise.

Außerdem stellen viele potenzielle Investoren ihre Pläne zurück, solange sie nicht wissen, um welchen
Zeitraum die Bundesregierung die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängern wird. In den
abgeschriebenen Meilern lässt sich Strom zu vergleichsweise geringen Kosten produzieren. „Das
Thema Laufzeitverlängerung spielt für Investitionen in Kohlekraftwerke eine große Rolle“, sagt Stefan
Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), dem „Handelsblatt“. Im Moment herrsche eine
große Unsicherheit, Investitionen würden tendenzielle zurückgestellt. Kohler warnt seit geraumer Zeit
vor einer Stromlücke. Jüngsten Berechnungen der Dena zufolge fehlen bis 2020
Stromerzeugungskapazitäten von 12 000 bis 13 000 Megawatt (MW). Das entspricht etwa 15
Kohlekraftwerken.

Wie diese Lücke geschlossen wird, darüber herrscht bisher in Politik und Wirtschaft keine Einigkeit.
Umweltverbände und Bürgerinitiativen plädieren für kleine, hocheffiziente und schnell regelbare
Gaskraftwerke, weil sie sich besser mit der stark schwankenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne
kombinieren lassen. Neue Kohlekraftwerke wollen viele Umweltschützer nur noch zulassen, wenn sie
mit der Technik zu Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid ausgestattet (CCS) sind. Diese
Technik ist aber noch in der Erprobungsphase.
Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, plädiert dafür, ganz
auf neue Kohlekraftwerke zu verzichten. „Die jüngsten Rückzieher bei der Kohlekraft dienen dem
Klimaschutz und der Versorgungssicherheit“, sagt der Abgeordnete. Auch angesichts der steigenden
Weltmarktpreise für Kohle, ausgelöst durch die stark wachsende Nachfrage aus Ländern wie China,
solle sich die deutsche Energiepolitik ganz auf die erneuerbaren Energien konzentrieren. Die
Regierungsparteien sehen das allerdings anders: „Wir können beim Energiemix der nächsten zwanzig
Jahre nicht auf Kohle verzichten“, sagt der energiepolitische Koordinator der Unionsfraktion, Thomas
Bareiß (CDU). Wer eine sichere und bezahlbare Stromversorgung wolle, müsse akzeptieren, dass
Kohlekraftwerke, Windräder und Hochspannungsleitungen unverzichtbar seien.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 04.02.2010)