Ex-KKW Lubmin geht jetzt mit Solarstrom ans Netz
OZ | 17.03.2010 | Seite 9
Der Platz auf den Reaktorblöcken des ehemaligen Kernkraftwerkes in Lubmin genügt für eine Solarfläche von 18600 Quadratmetern. (Foto: AG OZ)
Ein Firmenkonsortium will den riesigen Atommeiler von außen mit Solarzellen bestücken und damit sauberen Ökostrom in Lubmin produzieren. Umweltschützer stehen den Plänen skeptisch gegenüber.
Lubmin. Das frühere Kernkraftwerk (KKW) Lubmin feiert demnächst ein ungeahntes Comeback. Aus dem damaligen Atomstandort könnte nun ein ökologisches Vorzeigeprojekt werden. Statt Kernbrennstäben sollen dann Solarzellen Energie erzeugen. Die WV Energie AG sowie die Energiewerke Nord (EWN) planen, vier der ehemals acht Reaktorblöcke von außen mit Photovoltaik- Elementen auszustatten.
Die vorgesehenen Flächen auf den Dächern sowie an den Südfassaden der ausgewählten Blöcke bieten zusammengenommen 18 600 Quadratmeter für die saubere Stromerzeugung mit Sonnenlicht. Bereits Mitte dieses Jahres soll die Anlage den ersten Strom liefern. WV Energie rechnet mit einer Spitzenleistung von 1400 Kilowatt. 320 Haushalte könnten so dauerhaft mit Ökostrom versorgt werden. Als Betreiberfirma fungiert die Solar Lubmin GmbH, die als Gemeinschaftsunternehmen der Berliner Dachland Fotovoltaik GmbH und der WV Energie AG gegründet wurde. „Vor etwa einem Jahr schon haben wir mit den Energiewerken die solare Nutzung der vier Reaktorblöcke vertraglich vereinbart", sagte Uwe Albert Schön, Manager von WV Energie. Mit den Solarplänen machen die Energiewerke Nord jetzt aus der Not eine Tugend.
Die Reaktorblöcke würden ohnehin die Silhouette des Lubminer EWN-Areals auch in Zukunft prägen. Grund ist die massive Bauweise der Kolosse. Sie bestehen aus einsturzsicherem meterdicken Stahlbeton. Schön zufolge würden die Bauten noch mindestens 20 Jahre Bestand haben, da ihr Abriss gewaltige Kosten verursache, für die so schnell niemand aufkommen wolle. Während der Bund zwar die Entsorgung der kontaminierten Atomtechnik bezahle, müsse das Land den Abriss der Gebäude schultern, von denen ein Teil noch radioaktiv verunreinigt sei. Mit dem neuesten Solarprojekt würde das seit längerem propagierte Konzept, demzufolge in Lubmin verschiedene Energiearten genutzt werden sollen, einmal mehr unterstrichen, betonte Schön. „Seit 2004 betreibt die Firma BP- Solar eine Photovoltaik-Anlage am so genannten Einlaufkanal in Spandowerhagen. In der Heide wird Biosprit hergestellt und in der Maschinenhalle produzieren die Erndtebrücker Eisenwerke Stahlmasten für Offshore- Windanlagen."
Oskar Gulla, Chef der Greifswalder Bürgerinitiative gegen ein Kohlekraftwerk in Lubmin, bezeichnete die Pläne als „Fliegenfängerei". Das Vorhaben sei „ein Schachzug von Schön, um sein Image aufzupolieren". Hintergrund sei, dass die WV Energie AG trotz des Ausstiegs von Dong Energy weiter den Bau eines Steinkohlemeilers auf dem EWN-Gelände forciere. Gulla forderte die Energiewerke Nord zudem auf, „endlich ein unabhängiges Gutachten vorzulegen, das klar benennt, inwieweit die Reaktorblöcke radioaktiv verseucht sind".
Bericht von Von SVEN JESKE und BENJAMIN FISCHER